Infobrief: Unterstützung für die erfolgreiche Interessenvertretung sehbeeinträchtigter Menschen

(Nr. 2/2023, Dezember 2023)

Liebe Leserinnen und Leser,

dies ist der letzte Infobrief Interessenvertretung im Rahmen des Projekts agnes@work. Der Deutsche Verein der Blinden und Sehbehinderten in Studium und Beruf (DVBS) führt den Infobrief ab 2024 fort. Näheres geben die Verantwortlichen im kommenden Jahr bekannt.

Auch die Seminarreihe wird 2024 mit dem Seminar „Förderinstrumente für die Beschäftigung und berufliche Weiterbildung von Menschen mit einer Sehbehinderung“ im Online-Format fortgeführt.

Neben einer Projektbilanz stehen diesmal Hilfsmittel für Beschäftigte mit Seheinschränkung im Mittelpunkt des Infobriefs. Anhand eines fiktiven Arbeitsplatzes werden Arbeitsweisen von Menschen mit Sehbeeinträchtigung beleuchtet sowie mögliche Probleme und Lösungen aufgezeigt.

Sie haben die bisherigen Ausgaben des Infobriefs Interessenvertretung verpasst? In unserem Archiv können Sie sie nachlesen.
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Inhaltsübersicht:

Hilfsmittel und Kostenträger

Typische Hilfsmittel für sehbeeinträchtigte Menschen sind:

Kostenträger für beruflich genutzte Hilfsmittel sind die Träger der beruflichen Rehabilitation, also Arbeitslosenversicherung bzw. Agentur für Arbeit, Rentenversicherung und Unfallversicherung bzw. Berufsgenossenschaft.

Medizinisch notwendige und privat genutzte Hilfsmittel finanziert die Krankenkasse.

Hilfsmittel für die soziale Teilhabe bezahlt die Eingliederungshilfe, also das Integrationsamt, in einigen Bundesländern auch Inklusionsamt genannt.

Die gesetzliche Grundlage bilden die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (§ 49, 50 SGB IX). Ansprechpartner und Leistungserbringer sind hier die Rehabilitationsträger. Ergänzend leisten die Integrationsämter Unterstützung im Rahmen der Begleitenden Hilfe im Arbeitsleben (§ 185 SGB IX, in Verbindung mit § 19 und § 26 SchwbAV) für Menschen mit einer anerkannten Schwerbehinderung oder Gleichstellung.

Ausführliche Informationen zu Hilfsmitteln, Kostenträgern und gesetzlichen Ansprüchen enthält die kostenlose DVBS-Broschüre „Antrag auf…“ im barrierefreien PDF-Format.

Hilfsmittel am Arbeitsplatz - Fragen und Antworten an einem Beispiel

Herr Mustermann ist stark sehbehindert. Deshalb benötigt er für seine Arbeit am PC-Bildschirm eine Vergrößerungssoftware. Sie vergrößert den Bildschirminhalt auf eine für ihn lesbare Größe. So kann er die Darstellung individuell anpassen.

Welche Konsequenzen hat diese Arbeitsweise für Herrn Mustermanns Arbeit?

Durch die starke Vergrößerung eines kleinen Bildschirmausschnitts – bei sechsfachem Zoom ist beispielsweise nur 1/36 des Bildschirms sichtbar – erfasst Herr Mustermann nur einen Bruchteil des Bildschirminhalts. Entsprechend groß ist beispielsweise die Darstellung von Text oder Bildern. Dadurch benötigt er mehr Zeit fürs Lesen eines Dokuments oder das Erfassen einer Webseite. Die Verwendung von Tastaturbefehlen, sogenannten Shortcuts, und das Zuschalten einer Sprachausgabe zum Auslesen des Bildschirminhalts können diesen Nachteil teilweise kompensieren.

Was sollten Kolleginnen und Kollegen berücksichtigen?

Wenn Herr Mustermann im Umgang mit seinen Hilfsmitteln geschult ist und eine Arbeitsassistenz hat, wird er seine Arbeit selbstständig erledigen können. Ist er dennoch auf Hilfe angewiesen, wird er diese von sich aus erbitten. Wer Hilfe anbietet, sollte dies höflich und mit der gebotenen Distanz tun. Aufdringliche und übergriffige Hilfe kommt bei Betroffenen nicht gut an. Weitere Hinweise enthält die Broschüre „Nicht so – sondern so“ des Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverbandes (DBSV).

Wer finanziert Hilfsmittel?

Bei der beruflichen Nutzung sind die Agentur für Arbeit bzw. die Deutsche Rentenversicherung oder das Integrationsamt zuständig. Dazu stellt Herr Mustermann einen Antrag auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben. Die Notwendigkeit seines Hilfsmittels muss er nachvollziehbar begründen. Daraufhin wird zum Beispiel ein Mitarbeiter des technischen Dienstes der Arbeitsagentur seinen Arbeitsplatz begutachten. Seine Empfehlung ist Grundlage für die Bewilligung des Hilfsmittels.

Bietet sich der Einsatz einer Vergrößerungssoftware auch bei altersbedingter Sehverschlechterung an?

Auf jeden Fall! Voraussetzung ist: Der oder die Betroffene ist dazu bereit. Schließlich erfordert der Hilfsmitteleinsatz eine intensive Schulung und damit Zeit und eine Umstellung bisheriger Arbeitsgewohnheiten. Hilfreich ist auch eine Akzeptanz der eigenen Seheinschränkung – und somit der Notwendigkeit von Hilfsmitteln. Ist dies gegeben, bedeutet das für Betroffene eine Zunahme an Arbeits- und Lebensqualität. Zumal der Einsatz einer Vergrößerungssoftware auch Rücken und Bandscheibe entlastet und sich damit gesundheitsfördernd auswirkt.

Rat und Hilfe

Verschiedene Einrichtungen bieten Beratung und Unterstützung rund um das Thema Hilfsmittel, beispielsweise

Arbeit 4.0 und Sehbeeinträchtigung

Die Fachzeitschrift „blind-sehbehindert“ des Verbandes für Blinden- und Sehbehindertenpädagogik e.V. (VBS) veröffentlicht in ihrer aktuellen Ausgabe (November 2023) den zweiten Teils des Artikels „Der Einfluss von Arbeit 4.0 auf Beschäftigte mit Sehbeeinträchtigung“. Autoren sind die agnes@work-Mitarbeiter Stefan Kohlhof und Oliver Nadig. Der erste Teil erschien im August 2023. Grundlage sind die beiden agnes@work Bedarfserhebungen zu Auswirkungen des digitalen Wandels auf Arbeit und Beschäftigung von Menschen mit Seheinschränkung aus den Jahren 2020/2021 und 2022.

Zur Internet-Seite von „blind-sehbehindert“

agnes@work: Rückblick und Bilanz

Dreieinhalb Jahre agnes@work gehen zu Ende. Zeit zum Bilanzieren: Was hat agnes@work bewirkt?

Für Betroffene: Das Projekt hat durch Beratung und punktuellen Einsatz vor Ort viel zur beruflichen Neuorientierung wie zu Anpassungen im Arbeitskontext erbracht. Dazu leistete das Projekt einen wichtigen Beitrag zur Barrierefreiheit von Arbeitsplätzen und Bildungsangeboten. Anteil daran hat nicht zuletzt unser Informationsmaterial wie Handreichungen, Broschüren und Quick Guides sowie E-Learnings und Videos.

Für Unterstützende: Die Seminare für Unterstützungsakteure wie Inklusionsämter, Agentur für Arbeit, Jobcenter oder Deutsche Rentenversicherung boten Beratungsfachkräften für Menschen mit Seheinschränkung Hilfestellung für ihre Arbeit und ihren Umgang mit den Klient*innen. Dafür sprechen die große Nachfrage und die positiven Rückmeldungen.

Auch Angebote wie Mentoring, Weiterbildungsberatung und der Infobrief Unterstützung für die erfolgreiche Interessenvertretung sehbeeinträchtigter Menschen werden fortgeführt. Die bisherige Webseite wurde zu einer Informationsplattform. Diese richtet sich an Unternehmen, Unterstützende und Betroffene. Produkte wie Videos, E-Learnings, die Lernplattform, Broschüren, Leitfäden und Checklisten sind ebenfalls weiterhin erhältlich.

Damit schafft agnes@work einen weit über das Projektende hinausreichenden Nutzwert für Beschäftigte mit Sehbeeinträchtigung und ihre Unterstützungsakteure.

Handreichungen, Quick Guides, Videos, E-Learnings

Die agnes@work Infoplattform bietet umfangreiche Materialien zu den Themen berufliche Teilhabe und Barrierefreiheit in Bildung und Beruf. Beispielsweise die Quick Guides „Barrierefreie Word-Dokumente“ und „Barrierefreie PowerPoint-Folien“, die Broschüren „Barrierefreie PDFs“„Beratung zur beruflichen Weiterbildung und Teilhabe blinder und sehbehinderter Menschen“ sowie zwei Videos zur beruflichen Weiterbildung und Teilhabe.

Viele nützliche Tipps und Hinweise zur Konzeption und Durchführung barrierefreier Weiterbildungen bieten die sechs agnes@work E-Learning-Kurse. Schwerpunkte sind Beratung, Beschäftigung und barrierefreie Weiterbildung für Menschen mit Seheinschränkung. Das Angebot richtet sich an Unterstützungs- und Beratungsfachkräfte der beruflichen Teilhabe von Beschäftigten mit Seheinschränkung, Personalverantwortliche in Unternehmen, Bildungsanbieter und andere Unterstützungsakteure von Beschäftigten mit Sehbeeinträchtigung. Die Kurse sind nach vorheriger Anmeldung unter https://lernen.agnes-at-work.de kostenfrei nutzbar.

Wer ein Lernmoduls erfolgreich absolviert hat, erhält auf Anforderung ein Zertifikat.

Telefonische Weiterbildungsberatung

Die telefonische Beratung zur beruflichen Weiterbildung und Neuorientierung wird über das Projektende hinaus vom Deutschen Verein der Blinden und Sehbehinderten in Studium und Beruf (DVBS e.V.) fortgeführt. Das Beratungstelefon ist donnerstags von 10 bis 12 Uhr unter 06421 94888-33 besetzt.

Mentoring

Auch das agnes@work Mentoringprogramm wird nach Projektende vom DVBS fortgeführt. Ihr Ansprechpartner bleibt Christian Karges. E-Mail: karges@dvbs-online.de, Telefon: 06421 94888-21.

Vorschau: Fit für Weiterbildung

Stehen bei Beschäftigten mit Seheinschränkungen Veränderungen bei der Arbeit oder Weiterbildungen bevor? Dann stellt sich oft die Frage: Bin ich wirklich fit im Gebrauch meiner Hilfsmittel? Wie kann ich sicherer und effektiver damit arbeiten? Laufende oder absehbare Veränderungen im Job und berufliche Weiterbildung verlangen eine gute und sichere Hilfsmittelnutzung.

Das Bildungsangebot „Fit für Weiterbildung“ soll 2024 neu gestartet werden. Es richtet sich an sehbehinderte und blinde Erwerbstätige, die zur Erhaltung ihres Arbeitsplatzes beziehungsweise zum Wechsel auf einen anderen Arbeitsplatz an einer beruflichen Weiterbildung teilnehmen und sich (wieder) fit machen wollen. Im Mittelpunkt steht die Nutzung der nötigen sehbehinderungs- bzw. blindentechnischen Hilfsmittel, Arbeitsweisen und Lerntechniken.

Das Weiterbildungsangebot umfasst 24 Unterrichtseinheiten an vier Kalendertagen, ein Informationstelefonat vor Kursbeginn sowie das Angebot von zwei Stunden ergänzender telefonischer Unterstützung nach Abschluss der Fortbildung.

Weitere Informationen auf der DVBS-Webseite.

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