DVBS kritisiert halbherzigen Entwurf zum BFSG
Am 20. Mai 2021 berät der Bundestag über das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG). Damit soll die EU-Richtlinie 2019/882 umgesetzt werden, die das Ziel hat, die Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten zur Barrierefreiheit zu vereinheitlichen. Der Zugang für Menschen mit Behinderungen zu digitalen Alltagsprodukten und Dienstleistungen soll verbessert und die wirksame, gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit Behinderungen gestärkt werden. Kann das BFSG diesen Zielen gerecht werden? Und was hat das mit beruflicher Teilhabe zu tun?
Der Gesetzesentwurf umfasst bestimmte Produkte und Dienstleistungen, die in Zukunft barrierefrei gestaltet werden müssen. Bislang gibt es solche Vorgaben nur für staatliche Stellen. Dieser Gesetzesentwurf richtet sich erstmals auch an private Wirtschaftsakteure. „Der Verbraucher“ steht hier genauso wie bei der europäischen Richtlinie (EAA) im Mittelpunkt.
Allerdings muss nach Meinung des DVBS auch die gewerbliche Nutzung von Rechnern, Bankdienstleistungen usw. von der Pflicht zur Barrierefreiheit erfasst werden. Für die gleichberechtigte Teilhabe behinderter Menschen ist das unerlässlich. Es ist kaum nachvollziehbar, warum Online-Banking Angebote für private Girokonten barrierefrei sein müssen, für ein Geschäftskonto aber nicht. Gerade im IT-Bereich sind private und gewerbliche Nutzung nicht klar voneinander abzugrenzen.
Öffentliche Stellen sind zwar bereits zu barrierefreier IT verpflichtet, aber die Beschaffung scheitert immer wieder an mangelnden Angeboten der Privatwirtschaft. Die Nachfrage aus öffentlicher Hand reicht offenbar nicht aus, um Impulse für die Privatwirtschaft zu liefern. Daher muss eine Verpflichtung geschaffen werden barrierefreie IT-Produkte anzubieten.
Die Barrierefreiheitsanforderungen des vorliegenden Gesetzesentwurfs gelten nur, wenn es bei den betreffenden Wirtschaftsakteuren zu keinen „unverhältnismäßigen Belastungen“ kommt, was in der Sache sicherlich vertretbar ist. Die Formulierung im Gesetz lässt allerdings große und systematische Schlupflöcher zu. Die Beweislast der „unverhältnismäßigen Belastung“ muss nach Meinung des DVBS bei den Wirtschaftsakteuren liegen.
Außerdem enthält der Gesetzentwurf unzumutbar lange Übergangsfristen. Das macht den Eindruck, als sei Barrierefreiheit ein völlig neues Thema und als würden wirtschaftliche Akteure von diesen Anforderungen überrascht. Allerdings bestehen Standards zu Barrierefreiheit bereits seit Langem. Der DVBS hat beispielsweise im Projekt „inklusive berufliche Ausbildung ohne Barrieren“ (iBoB) Kriterien entwickelt, um Weiterbildungsmaßnahmen barrierefrei zu gestalten. Mit dem Projekt „Agiles Netzwerk für sehbeeinträchtigte Berufstätige – Beratungs- und Kompetenznetzwerk am Arbeitsplatz“ (agnes@work) können wir direkt am Arbeitsplatz beraten und dabei unterstützen, inklusive berufliche Teilhabe zu verwirklichen.
Unternehmen ist zumutbar, sich auf eine Umstellung bis 2025 oder maximal 2030 einzurichten. Von einer unverhältnismäßigen Belastung kann keine Rede sein. Eine Frist bis 2040, wie sie Selbstbedienungsterminals von Banken und Verkehrsbetrieben erhalten sollen, straft die Bezeichnung Barrierefreiheitsstärkungsgesetz Lügen.
Eine ausführliche Stellungnahme des DVBS zum Gesetzentwurf finden sie auf der DVBS-Webseite.